Fachtagung, 12 - 14.11.2015 in Dortmund „Partizipation: Teilhaben/Teilnehmen“ – Theater als Soziale Kunst

Zurück

Mit dem Projekt wurde das Thema Partizipation im Spannungsfeld von Teilhabe und Teilnahme aufgegriffen. Der Begriff der Partizipation hat vor allem im Umfeld theaterpädagogischer Praxis im Bereich der Kinder- und Jugendbildung Konjunktur, lässt aber eine fundierte Auseinandersetzung mit möglichen oder gar erforderlichen Praxishaltungen, die ein partizipativer Ansatz notwendig macht, vermissen. Eingebettet war das Projekt in einen größeren Kontext, der im Folgenden zunächst erläutert wird: Langfristiges und übergeordnetes Ziel ist es, im Verbund mit Kolleg*innen die Theaterpädagogik im Kontext der Angewandten Sozialwissenschaften bzw. der Sozialen Arbeit theoretisch und praxeologisch zu aktualisieren und zu spezifizieren. Hintergrund dafür sind: ein erweiterter Theater- und Kunstbegriff, die Performativität und Theatralität des Sozialen und eine kulturwissenschaftliche Perspektive auf ästhetische Bildung wie auch kulturelle, soziale und politische Teilhabe.
Ein derart orientiertes Theoriefundament und darauf basierendes Studium bereitet insbesondere auf die theaterpädagogische Arbeit im Kontext des Sozialen und damit auch im außerschulischen Zusammenhang vor. Weiterhin werden Kinder und Jugendliche dabei als zentrale Zielgruppe der Theaterpädagogik gesehen, allerdings wird dezidiert eine Perspektive für theaterpädagogische Projektkonzeptionen eröffnet, die über institutionelle Zusammenhänge (bspw. Schule) hinaus weist und sozialräumliche, intergenerationelle, inter- und transkulturelle als auch internationale Konzeptentwicklungen und –durchführungen intendiert, konzipiert und reflektiert. In diesem Sinne lässt sich dieser Ansatz als ein Projekt der (inter-)kulturellen Bildung verstehen. Dieses Selbstverständnis schließt an die inhaltlichen Schwerpunkte der Bundesarbeitsgemeinschaft Spiel und Theater (BAG Spiel und Theater) an, da es Kinder und Jugendliche als Spielerinnen und Spieler in den Fokus rückt und an das Thema Kultur und Entwicklung als inhaltlichen Aspekt anschließt.

Wie die Tagung „BIOGRAFIEren auf der Bühne“ im Jahr 2014 fand auch der 2. Part der Trilogie gemeinsam mit der LAG Spiel und Theater NRW und der FH Dortmund statt. Für die Expert*innen-Tagung wurde zudem eine vielfältige Zusammenarbeit und inhaltliche Abstimmung mit der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) angestrebt und umgesetzt, die das Thema Partizipation zu ihrem Jahresthema erhoben hatte.
Haltungen, die das Prinzip der Partizipation schon als erfüllt ansehen, wenn allen Schichten der Bevölkerung der Zugang zu Theateraufführungen ermöglicht wird, stehen Haltungen gegenüber, die nachdrücklich auf die Verantwortung der Institution Theater als social player innerhalb der Gesellschaft verweisen, die sich nicht darauf beschränken dürfe, am Rande der Gesellschaft seine phänomenologischen Studien zu betreiben. Es muss sich auch die Frage gefallen lassen, „wem sollte das Theater in Zukunft gehören?" (Bicker) und: Wer stellt die Spielregeln auf? Dementsprechend wurde der primär sozialwissenschaftlich konturierte und breit aufgestellte Begriff der „Partizipation“ im Rahmen der Tagung in seiner Breite und Tiefe im ästhetischen Feld des Theaters befragt. Gleichzeitig erfuhr er im Kontext und Verständnis von „Theater als Sozialer Kunst“ einen konkreten Zugriff.

Der Begriff der Teilhabe erfährt dabei im „kollektiven Prozess des Theaters“ (Kurzenberger) innerhalb der Theaterpädagogik noch eine Zuspitzung, insofern er auch außerhalb szenischer Settings und jenseits künstlerischer Fragen soziale Ensemble formt und auf Kooperation divergenter Peers setzt. Insofern ist der „Sozialität des Theatralen“ (Weintz) sowohl innerhalb der konkreten künstlerischen Produktion wie auch an deren Rändern nachzuspüren. Etwa in der Analyse von Rezeptionsprozessen oder auch in der Manifestation von Theaterhäusern im kommunalen Kontext. Mit dem Dispositiv des Theatralen der von Fischer-Lichte und anderen Ende des 20. Jahrhunderts Kultur weniger als Manifestation von Werken sondern in der Tradition Milton Singers als anthropologische Grundkategorie etabliert wurde, hat sich der Aufführungsbegriff als Analysekategorie profiliert. Dieser erscheint jedoch nur in jeweils konkreten Situationen sinnvoll anwendbar zu sein. Die Tagung unternahm hier den Versuch, konkrete (Aufführungs-)Situationen, die sich auch als Manifestationen neuester Medien äußern können, zum Anlass zu nehmen, Spielarten des Partizipativen zu entdecken und in ihrer Relevanz zu befragen.

Eine kritische Befragung des Partizipationsbegriffs führte schließlich auch dazu, die blinden Flecke wohlmeinender integrativer Ansätze aufzuspüren. Gerade eingedenk der Tatsache, dass immer dort, wo Menschen „drin“ sind, andere auch draußen bleiben müssen (Gusy), war hier noch manche Entdeckung zu machen. Gestützt durch theoretisch ausgerichteten Kernreferate und sogenannten „Best Practice“- Beispiele diskutierte die Tagung Reichweite wie Probleme, die die Begrifflichkeit Partizipation Wissenschaft und Praxis immer noch bereitet. Partizipation schlug sich auch als Formprinzip in der Konzeption der Tagung nieder, in dem unterschiedliche partizipative Prinzipien und Formate bei der Gestaltung der Tagung zur Anwendung kamen.

Die Fragestellungen wurden mit ästhetischen, ethischen und theaterdidaktischen Perspektiven und Fragestellungen verknüpft. Die Tagung integrierte zudem ein künstlerischpraktisches Rahmenprogramm, das die Beteiligten in partizipative Prozesse des Theaters verwickelt bzw. unterschiedliche Strategien der Partizipation vorstellt und damit ein konkretes Bezugs- und Erfahrungsfeld kreierte.

Zurück