Aus dem Verband Nachruf auf Klaus Hoffmann

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Der Theatermensch, langjährige Vorsitzende (von 1987 – 2009) und Ehrenvorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Spiel & Theater Klaus Hoffmann ist am 14. November 2023 im Alter von 84 Jahren gestorben.

Mit ihm verliert die Theaterpädagogik in der Bundesrepublik Deutschland und auf transnationaler Ebene einen herausragenden Gestalter, konstruktiven Pragmatiker und unentwegten Netzwerker. 

Klaus Hoffmanns Schaffen war geleitet von einem ganzheitlichen Kultur- und Bildungsverständnis, dem hohen Anspruch „Kultur für alle“ fühlte er sich verpflichtet. 

Wer sich mit ihm über seine Kindheit im kriegszerstörten Berlin und das Aufwachsen in einer Nachkriegsgesellschaft unterhielt, bekam einen Eindruck davon, wie prägend diese Jahre für ihn waren, wie Erfahrungen aus dieser Zeit Einfluss hatten auf spätere Entscheidungen im Berufsleben und im ehrenamtlichen Engagement. Demokratiebildung, Aussöhnungsbemühungen nach dem Zweiten Weltkrieg, interkultureller und interreligiöser Dialog – diese Themen wurden für Klaus Hoffmann zu Lebensthemen.

Bei seinen zahlreichen künstlerisch-kulturellen Initiativen und Projekten dachte er von der Kunst her. Für ihn wohnte dem Theater, dem Spiel eine Kraft inne, die das Potenzial zu gesellschaftlicher Veränderung in sich trägt. Diese Erfahrung jedem Menschen zugänglich zu machen, dafür hat er auch gegen Widerstände zeitlebens gestritten.

Er vermochte es in besonderer Weise, den Diskurs um die Bedeutung und den gesellschaftlichen Stellenwert von Theaterpädagogik, von Kultureller Bildung, den er leidenschaftlich mit Vertreter*innen verschiedener Politikfelder und Förderinstitutionen, mit Kulturakteuren und Künstler*innen führte, jederzeit zusammenzudenken mit der Frage nach den Strukturen, die erforderlich sind, um angemessene, wohlzugeschnittene und tragfähige Zusammenschlüsse und Netzwerke zu bilden. Seine zahlreichen Gründungs- und Mitgründungsinitiativen auf Länder- und Bundesebene sprechen für sich. So war er Mitbegründer der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Spiel & Theater Berlin, er gründete die Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Niedersachsen (LKJ) mit, die er lange Jahre als Vorstandsvorsitzender mitgestaltete. Auch die Entstehung der Medienzentrale der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers (das spätere Zentrum für Medien Kunst Kultur), deren Leiter er über Jahrzehnte war, geht auf ihn zurück. Der Arbeitskreis Kirche und Theater in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde von ihm ins Leben gerufen. Schon vor dem Fall der innerdeutschen Grenze suchte Klaus Hoffmann immer wieder den Kontakt zu Akteuren des Amateurtheaters und Laienspiels in der DDR. An diese Verbindungen konnte er mit der BAG Spiel & Theater anknüpfen, als es nach dem Zusammenbruch der DDR darum ging, die Konstituierung eines Amateurtheaterverbandes für die östlichen Bundesländer (der spätere ATV Ost) zu unterstützen und gemeinsame bundesweite und internationale Aktivitäten zu initiieren. 

Klaus Hoffmann, der die Anfänge der Theaterpädagogik in der Bundesrepublik begleitete und aktiv mitgestaltete, engagierte sich früh für einen Praxis-Theorie-Dialog und Qualitätsdiskurs innerhalb der Disziplin. Mit der BAG Spiel & Theater schuf er die entscheidenden Rahmenbedingungen für die Erarbeitung des Kerncurriculums zur erstmaligen Einführung des grundständigen Studiengangs Darstellendes Spiel in Niedersachsen. Ausgehend von diesem Modell entstanden in den Folgejahren bundesweit weitere theaterpädagogische Studiengänge.

Internationale Anerkennung in besonderem Maß erlangte er mit der Gründung und Künstlerischen Leitung des Festivals SCENA – Theater und Religion, das ab 1998 als Biennale in Hannover veranstaltet wurde. Klaus Hoffmanns Interesse galt in diesem Kontext der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Theater und religiösem Kult sowie der Nutzung von Kirchenräumen als Theaterräume. Die gleichnamige Buch-Reihe wurde unter seiner Federführung publiziert.

Diese Aufzählung deckt einen Teil dessen ab, was mit und durch Klaus Hoffmann aufgebaut und entwickelt wurde. Sie steht für die außerordentliche Schaffenskraft eines streitbaren Kulturmenschen. Geholfen haben ihm beim ‚Bohren dicker Bretter‘, egal ob im theaterpädagogischen, zivilgesellschaftlichen oder politischen Kontext, sein Eigensinn und seine unerschütterliche Beharrlichkeit, seine Freundlichkeit und seine Sachbezogenheit. Um seine eigene Person machte er selten Aufhebens, er sah sich zuvorderst als ‚Ermöglicher‘ und ‚Wegbereiter‘.

In seiner Person bündelten sich über weite Strecken seines beruflichen Wirkens zahllose Vorstandsämter, Gremiensitze und Funktionen. Die Ämterhäufung brachte ihm mancherorts auch Kritik ein. Die große Fülle dieses zumeist ehrenamtlichen und arbeitsintensiven Engagements nutzte Klaus Hoffmann, um für die Theaterpädagogik bereichernde Querverbindungen z.B. mit der Kultur- und Bildungspolitik, der Auswärtigen Politik, dem Nord-Süd-Kontext, dem interreligiösen Dialog, internationalen und interdisziplinären Perspektiven herzustellen und diese Vernetzungen in konkrete Projekte oder Allianzen ‚umzumünzen‘. Seine publizistische Tätigkeit umfasst zahlreiche Publikationen, Fachaufsätze und -artikel, seine theaterpädagogische Sammlung gehört zum Bestand des Deutschen Archiv für Theaterpädagogik (Lingen).

Die Internationalisierung der Theaterpädagogik, für die die BAG Spiel & Theater mit hoher Kontinuität und Fachlichkeit im Arbeitsfeld steht, ist maßgeblich von Klaus Hoffmann angestoßen worden. Er engagierte sich langjährig in internationalen Netzwerken und entwickelte auch bei Gegenwind Kooperationen zwischen der BAG Spiel & Theater und Partner*innen aus dem gesamteuropäischen Raum, Ghana, Indien, Israel, dem Maghreb, Palästina, der Türkei u.a.

Für sein fachpolitisches und ehrenamtliches Engagement auf bundesweiter und internationaler Ebene wurde Klaus Hoffmann vielfach ausgezeichnet. Er bekam u.a. das Bundesverdienstkreuz verliehen und den Lebenspreis des Çağdaş Drama Derneği (Türkei weiter Verband für zeitgenössisches Drama).

Viele der Initiativen und Gründungen von Klaus Hoffmann haben Bestand. Er konnte am Ende seines Lebens auf eine eindrucksvolle Lebensleistung zurückblicken, die inspiriert und motiviert.

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Obituary: Klaus Hoffmann

Klaus Hoffmann, a theatre expert, chairperson of the Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Spiel & Theater for many years (1987-2009) as well as its honorary chairperson, died on November 14th, 2023 at the age of 84.  

With his passing, theatre education in Germany and at a transnational level has lost an outstanding creator, a constructive pragmatist and an untiring networker.

Klaus Hoffmann’s work was guided by a holistic understanding of culture and education, he felt committed to the high ideal of “culture for all”. Anyone who talked to him about his childhood in a war-destroyed Berlin and growing up in post-war society got an impression of how formative those years were for him and how the experiences from that era influenced later decisions in his professional life and in his involvement in the voluntary sector. Fostering democracy, efforts at reconciliation following the Second World War, intercultural and interreligious dialogue – for Klaus Hoffmann, these themes would determine his life.

For his numerous artistic and cultural initiatives and projects, his thinking always took the position of art as its starting point. For him, theatre and acting possessed a power that carried the potential for social change. Making this experience accessible to everyone was something he fought for all his life, also against resistance.  

He conducted passionate conversations about the meaning and value of theatre and cultural education in society with representatives of different political fields, funding institutions, cultural stakeholders and artists, whereby these ideas were always grappled with in combination with the question of the structures necessary to form suitable, well-fitting and sustainable affiliations and networks. His numerous founding and co-founding initiatives at a state and national level speak for themselves. He was thus a co-founder of the Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Spiel & Theater Berlin and also co-founded the Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Niedersachsen (LKJ), which he also helped shape during the many years he served as chair of the board. The Medienzentrale der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers (which later became the Zentrum für Medien Kunst Kultur), which he headed for decades, was his creation too, while the Arbeitskreis Kirche und Theater in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) was also called into life by him. Even before reunification, Klaus Hoffmann repeatedly sought contact with stakeholders working in amateur theatre and non-professional acting in East Germany. He was able to build on these connections with BAG Spiel & Theater at a time when the focus was on supporting the creation of an amateur theatre association for the new German states (what later became ATV Ost) and working together to initiate national and international activities following the collapse of East Germany.

 

Klaus Hoffmann accompanied and actively shaped the beginnings of theatre education in Germany and was an early advocate of a theory-practice dialogue and quality discourse within the disciple. With the BAG Spiel & Theater, he created the decisive framework conditions for developing the core curriculum for the first course of studies purely dedicated to theatre education, which was introduced in Lower Saxony. With this model as a starting point, further courses of studies in theatre education emerged across the country in the years that followed.

He received specific international recognition by founding and serving as the artistic director for the SCENA – Theater und Religion festival, which took place as a biennale in Hanover from 1998 onwards. Within this context, Klaus Hoffmann’s interest was focused on examining the connection between theatre and religious cults as well as the use of church spaces as theatre spaces. The book series of the same name was published at his behest.  

This list covers some part of the many things built and developed by and with Klaus Hoffmann. It speaks to the extraordinary creative energy of a pugnacious man of culture. Whether in the context of theatre education, civil society or politics, his strong will, unshakeable persistence, friendliness and ability to stick to what was relevant were all of great help to when it came to pushing through difficult situations. He seldom made fuss about his own person, seeing himself as an “enabler” and “pioneer” first and foremost.

Over large portions of his professional career, he was a permanent fixture on boards of directors and committees and performed numerous different functions. The quantity of the various offices and positions he held were also a source of criticism in some places. The sheer breadth of his engagement, which was mostly on a voluntary basis and highly labour intensive, was used by Klaus Hoffmann as a way of forging enriching links to a range of different sectors, including cultural and educational policy, foreign policy, the North-South context, interreligious dialogue and international and interdisciplinary perspectives, and to convert these connections into concrete projects and alliances. His writing and editorial activities included numerous publications and  specialist essays and articles, while his theatre educational collection forms part of the holdings of the German Archive for Theatre Education (Lingen).

The internationalisation of theatre education, for which the BAG Spiel & Theater has stood for with a high degree of continuity and professionality in the field, was initiated to a large degree by Klaus Hoffmann. He was engaged in international networks for many years and developed collaborations between BAG Spiel & Theater and partners from across Europe, Ghana, India, Israel, the Maghreb, Palestine and Turkey, to name just a few, often in the face of opposition.

Klaus Hoffmann received many prizes both nationally and internationally for policy work and the many activities he carried out in an honorary/voluntary capacity, including the Order of Merit of the Federal Government of Germany and the Çağdaş Drama Derneği lifetime award (an association for contemporary drama that works across Turkey).

Many of the initiatives and ideas founded by Klaus Hoffmann endure to this day. At the end of his life, he could look back at many impressive achievements that are inspiring and motivating.

Ute Handwerg

 

Übertragung ins Englische: James Lattimer

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